Dieser Beitrag wurde 2010 für meine Bildagentur VISUM geschrieben und erschien in ihrem Blog.

 

(Damals war meine Technik der Schärfedehnung in der Panoramafotografie noch nicht sehr fortgeschritten. Inzwischen arbeite ich nicht mehr mit einer 6MP-Kamera, sondern mit einer 24MP-Kamera, sodass ich wesentlich weniger Einzelbilder machen muss. Außerdem habe ich inzwischen ein Tilt-Shift-Objektiv, das ich viel benutze.

In diesem Artikel wird beschrieben, mit welchen Überlegungen und Erfahrungen der Umstieg vom analogen Großformat zur Digitalfotografie verbunden war.)

 

 

 

 

 

Vom Großformat zu Stitching und Focus-Stacking

 

von Martin Franz

 

Bis vor wenigen Jahren war Großformat die einzige Möglichkeit, Landschaftsfotografien mit hoher Auflösung zu machen. Neue Programme versprechen die gleiche Qualität wie Großformat mit einer sehr viel kleineren und leichteren Digitalausrüstung zu erreichen?  Kann das Stitching-Programm (bei mir Autopano Giga von Kolor) die Grenzen der Einzelbilder wirklich zum Verschwinden bringen? Wie Alltagstauglich ist die neue Technologie?  Auf meiner Norwegenreise 2010 setzte ich zum ersten mal fast vollständig auf dieses neue Verfahren. Neue Bilder aus dem Harz (Nov. 2010) ergänzen diesen Bericht.

 

 

 

„Stitching“ ist das Zusammen-"nähen" von mehreren Digitalaufnahmen zu einer großen Fotografie.

 

 

Aus 20 Einzelbildern zusammengesetzte Fotografie, Screenshot der Vorschau im Stitching-Programm.

Beim Fotografieren hatte ich links unten mit Foto 1 begonnen, am Ende aber die untere Reihe mit Bild 20 noch ein bisschen nach links erweitert.

 

Zum Ausprobieren hatte ich in den letzten Jahren zunächst nur eine kleine Digitalkamera, einen Panoramakopf und 2 Objektive zu meiner Großformatausrüstung in den Rucksack gepackt. Aber schnell wurde mir klar, daß die neue Technik genauso detailreiche Bilder liefern konnte wie meine Großformatdias im Format 4x5 Inch.

 

 

In Nordnorwegen traten die beiden Systeme dann zum Duell gegeneinader an, wie sich das gehört, auf einem einsamen Strandfelsen bei Sonnenaufgang.

 

 

Grossformatkamera auf dem Uferfelsen 
 

Wie immer, war auch dieses Duell unfair, denn der hohe Bildkontrast zwischen den Felsen im Schatten und dem sonnenbeschienenen Schnee auf den Bergspitzen war ohnehin nichts für den Velvia 100 Planfilm in meiner Großformatkamera.

 

 

Grossformatdia, 4 x 5“, Velvia 100, 120 mm, Grauverlauffilter ND 0,6, 1 Sek., Bl. 22

 

Zudem war bei der breiten Bergkette vor mir die Digitaltechnik im Vorteil, weil sich die seitlichen Bildränder beliebig weit hinausschieben lassen.

 

 

Aus 20 Einzelfotos zusammengesetztes Bild, Einzelbild: Nikon D70, 55 mm, entspricht 83 mm bei 36-mm-Film, ISO 200, Bl. 8, 1/160 Sek.

 

Aber leicht hätte die Panorma-Technik auch verlieren können. So wären bei gleichmäßiger Dünung auf dem Meer die Grenzen zwischen den Bildern deutlich als Störung des Wellenmusters hervorgetreten. Aber zum Glück waren an diesem Morgen nur schwache und ungleichmäßige Wellen zu sehen.

 

Die Entscheidung brachte dann Wochen später die Auswertung am Computer. Die Detailschärfe eines zweireihigen gestitchten Bildes konnte es durchaus aufnehmen mit eiem 4x5“-Dia, gescannt auf einem guten Flachbettscanner.

 

 

 

In diesem Beispiel ist des Digitalbildes noch nicht wesentlich schärfer als das GF-Dia. Aber inzwischen ist mein Digitalsystem erheblich verbessert worden, von einer Kamera mit 6 Mio. Pixel (Nikon D70) auf eine mit 24 Mio Pixel in jedem Einzelbild (Nikon D3x) .

 

Screenshot eines 2-reihigen Panoramas aus 19 Aufnahmen mit je 24 Mio Pixel mit der D3x, Brocken im Harz

 

100% Ausschnitt von der Baumspitze rechts außen

 

Die Großformatkamera durfte zu einem weiten Vergleich gar nicht mehr angetreten. Ich hatte mich geweigert, ihre 20 kg auf die lange Wanderung zu diesem Waldrand mitzunehmen.

 

 

 

Schärfentiefe und Focus-Stacking-Programm

 

Aber manchmal trauere ich der Verliererin ein bisschen nach. Ihrer Fähigkeit sich zu verbiegen (tilt) und eine Schärfenebene vom Vordergrund bis zum Horizont zu legen hat meine Digitalkamera noch wenig entgegenzusetzen.

 

 

GF-Dia von Strandfelsen nach Sonnenuntergang, Lofoten
Velvia 100, 6x9 cm, 47mm, Centerfilter, Grauverlauffilter ND 0,6, 1 Sek., Bl. 16,
Durch Neigen der Frontstandarte (tilt) ist das Bild von vorne bis zum Horizont scharf.

 

Doch es gibt Möglichkeiten die Schärfentiefe zu dehnen. Beim Fotografiern eines mehrreihigen Panoramas mogele ich oft ein bisschen, und focussiere für die untere Reihe etwas mehr auf den Vordergrund.

 

 

2-reihiges Panorama von dünnem Meereis bei Ebbe, Lofoten. Die untere Reihe wurde nachfocussiert. 

 

Außerdem gibt es gute Tilt-Shift-Objektive. Noch besitze ich kein solches Objektiv, konnte aber ein Nikkor PC 45 mm testen. Daher weiß ich, daß mein Stitching-Programm (Autopano-Giga) auch Bilder zusammenrechnet, deren Schärfenebene mit diesem Objektiv stark geneigt wurde.

 

Schließlich gibt es die neue Focus-Stacking-Technologie (Stacking = stapeln). Die Focus-Stacking-Programme versprechen Bilder, die von vorne bis hinten scharf sind, auch bei längeren Brennweiten! Dafür muß man mehrere Bilder des gleichen Motivs mit unterschiedlichen Focus-Ebenen aufnehmen. Die Stacking-Software (bei mir Heliconfocus) fügt dann die scharfen Bereiche der Bilder zu einem Bild mit sehr großem Schärfebereich zusammen.

 

 

Und das funktioniert unter günstigen Bedingungen auch in der Landschaftsfotografie. Bei dem folgenden Beispiel gibt es keine konventionelle Möglichkeit, Vordergrund und Hintergrund scharf abzubilden. Die neue digitale Technik bewirkt nicht weniger, als daß die Begrenzung der Schärfentiefe als Problem aus der Landschaftsfotografie verschwindet. Noch funktioniert es nur bei sehr günstigen Bedingungen, und man muß die Bilder ein wenig nachbearbeiten, aber es gibt schon erstaunlich gute Resultate.

 

 

Erster Schritt: „Vorne scharf“ und „hinten scharf“ zusammenrechnen (Focus-Stacking),

zweiter Schritt: die 4 ganz scharfen Bilder stitchen
Ausgangsbilder: Nikon D3x , ISO 100, 55mm Macro, 1/25 Sek.m, Bl. 16

 

Mit den verschiedenen Möglichkeiten zur Dehnung der Schärfentiefe kann man die Schwächen der Panorama-Fotografie auf diesem Gebiet weitgehend kompensieren.

 

Schwächen und Stärken

 

Der Rucksack ist nur noch halb so schwer wie früher. Der Aufbau von Stativ und Kamera geht schneller. Der Kontrastumfang des Sensors ist größer als beim Diafilm. Die Belichtung läßt sich schon vor der Aufnahme verläßlich kontrollieren. Allerdings kommt als neue Aufgabe hinzu, den Panoramakopf immer sehr genau waagrecht auszurichten. Ein wenig altmodisch bleibt das Fotografieren für Panoramas schließlich doch noch, denn Autofocus, Belichtungsautomatik und der automatischen Weißabgleich müssen ausgeschaltet sein, damit alle Bilder einer Serie später zusammenpassen.

 

Es ist sinnvoll, schon bei der Aufnahme der Bildserie einige Tücken zu beachten. Die Einzelaufnahmen sollten sich ungefähr mit 1/3 der Bildfläche überlappen, damit das Stitching-Programm seine Kontrollpunkte in den Überschneidungsbereichen findet. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn große Teile des Bildes nur aus Himmel oder Wasser bestehen. Dort findet später das Stitching-Programm keine festen Kontrollpunkte. So kann ich Sonnenuntergänge stets nur als einreihiges Panorama fotografieren, weil nur der Horizont verlässliche Kontrollpunkte liefert. Es gibt Möglichkeiten, dieses Problem zu umgehen (Panoramakopf mit Rasten, Motorkopf) die ich aber (noch) nicht nutze.

 


 

Sonnenaufgang am Brocken, Harz, gestitched aus 3 Aufnahmen,
Einzelaufnahme: Nikon D3x, 20mm, 1/40 Sek., Bl. 8

 

Jede Bewegung, die sich über Bildgrenzen ausdehnt macht Schwierigkeiten. Dazu gehören Bäume im Wind oder Dünungs-Wellen. Vögel und laufende Menschen sind dagegen meist kein Problem, weil sie (in Landschaftsfotos) klein sind und deshalb nicht über den Überlappungsbereich hinausragen.

 


 

Hafeneinfahrt, Vesteralen, zusammengesetzt aus 3 Einzelbildern,
ein Beispiel dafür, wie kleine bewegte Objekte in ein Panorama integreirt sein können und wie Wellen die Bildgrenze erkennen lassen (links neben dem Boot).

 

Und dann kann man die Stärke der Stitching-Technik voll ausnutzen. Man kann die Bildgrenzen sehr weit herausschieben und ganz ungewöhnliche Weitwinkelfotografien zusammensetzen - wer will, auch bis zu 360°-Panoramen.

 

 

Strasse auf den Lofoten, Bildwinkel 85° entspricht ca. 18 mm KB-Objektiv, Zusammengesetzt aus 18 Einzelbildern

 

Für mich liegt aber der Schwerpunkt darauf, großformatige Landschaftsfotografien mit maximaler Detailschärfe herzustellen.

 

Die Landschaftsfotografie erlebt gerade einen Umbruch. Mit digitalen Kleinbildkameras und neuen Programmen lassen sich Fotografien herstellen, die den besonderen Detailreichtum der Großformataufnahmen erreichen und übertreffen. Großformatfotografie wird leichter - nicht nur von 25 kg auf 10 kg.

 

 

Gimsoystraumen nach Sonnenuntergang, Lofoten, zusammengesetzt aus 4 Bildern

 


© 2011, Martin Franz, VISUM